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Das LAG Sachsen befasste sich in seiner Entscheidung vom 10.01.2023 – 2 TaBV 1/21 mit der Frage, ob der Betriebsrat einen Anspruch auf Unterrichtung über die Raumplanung und die Zuweisung von Arbeitsplätzen hat. In den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin wurde ein sogenanntes Desksharing-System ohne feste Arbeitsplätze gelebt. Mitarbeiter:innen unterschiedlicher Konzerneinheiten nutzten größere einheitliche Büroflächen gemeinsam. Die Räume waren lediglich in Teamzonen unterteilt, baulich jedoch nicht begrenzt.
Streitfrage: Unterrichtung nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG auch bei der Zuweisung einzelner Mitarbeiter:innen zu bereits bestehenden Arbeitsplätzen?
Der Betriebsrat beabsichtigte mit dem Verfahren, die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihn bei Raumplanungen und Zuweisungen von Arbeitsplätzen umfassend zu informieren und sich gemeinsam mit ihm hierüber zu beraten.
Das Gremium führte an, Unterlagen zu geplanten Umzügen bzw. Raumänderungen erst auf Anforderung, verspätet bzw. unvollständig erhalten zu haben. Eine rechtzeitige und umfassende Information sei jedoch zur Beurteilung, ob die Anforderungen an den Arbeitsschutz und die Desksharing-Quote eingehalten werden, unerlässlich. Der Betriebsrat stützte sich hierzu u.a. auf das Beteiligungsrecht nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. Gemäß dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Planung der Arbeitsplätze rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten.
Die Arbeitgeberin vertrat den Standpunkt, die örtliche Veränderung bereits bestehender Arbeitsplätze und die Integration der Mitarbeitenden in diese bereits bestehenden Strukturen sei nicht von § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG erfasst, da die Vorschrift ausdrücklich von einer Planung der Arbeitsplätze spreche. Die in Rede stehenden Veränderungen würden jedoch nicht mit einer Planung im Sinne dieser Vorschrift einhergehen.
Erfolg für den Betriebsrat – Unterrichtung ist erforderlich
In zweiter Instanz gab das Landesarbeitsgericht Sachsen dem Betriebsrat recht. Die Arbeitgeberin sei verpflichtet, dem Betriebsrat auch dann Informationen zu erteilen und Raumpläne vorzulegen, wenn Arbeitnehmer:innen auf bestehende Arbeitsplätze umgesetzt oder erstmals zugeteilt werden.
„Planung der Arbeitsplätze“ im Sinne des § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG erfasse sowohl die Planung auf Betriebsebene als auch die Ablauf- und Gestaltungsplanung am Arbeitsplatz oder zwischen mehreren Arbeitsplätzen. Planung sei ein kontinuierlicher Prozess, woraus das Erfordernis einer laufenden Unterrichtung folge.
Davon sei zunächst die Planung, die sich auf die arbeitstechnische Gestaltung des Arbeitsplatzes an sich und seiner Umgebung bezieht, umfasst. Dies betreffe zum Beispiel die Einrichtung eines Großraumbüros, den Raumbedarf beim Arbeiten, der von der Arbeitssituation abhängt, die Arbeitssitze und die Stühle, die Höhe der Arbeitsfläche beim Stehen und Sitzen oder auch Klima, Lärm und Licht am Arbeitsplatz sowie die Gestaltung der Hilfsmittel zur Arbeitsleistung sowie den Einsatz von Informationstechnologie.
Eine Änderung der Raumplanung durch Zuweisung der Mitarbeitenden zu den einzelnen Arbeitsplätzen oder in bestimmte Arbeitsbereiche sei vom Wortlaut des § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG zwar nicht erfasst. Diese begrenzte Auslegung entspreche jedoch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift, so das LAG.
Das Unterrichtungs- und Beratungsrecht bestehe auch dann, wenn sich aus der geänderten Zuweisung der Arbeitnehmer:innen ein Planungsbedarf ergeben kann.
Die Raumplanung könne im vorliegenden Fall nicht losgelöst von der Anzahl der Arbeitnehmer:innen erfolgen, die beispielsweise einen vorhandenen Raum nutzen sollen, weil hierdurch die Desksharing-Quote betroffen sei oder sich eine Überbelegung des Raumes ergeben könne. Dabei gehe es auch um die Organisation im Sinne der Bereitstellung von Arbeitsplätzen.
Die fehlende Unterrichtung hierüber stellte laut dem Gericht einen groben Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG dar.
90 BetrVG gelte uneingeschränkt neben § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, dem Mitbestimmungsrecht über Arbeitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. Zudem ergänze § 80 Abs. 2 BetrVG, das allgemeine Auskunftsrecht des Betriebsrats, die Regelung des § 90 BetrVG.
Auswirkungen auf die Praxis
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Das Gericht hat die Norm entsprechend ihrem Sinn und Zweck erweiternd ausgelegt. § 90 BetrVG soll es dem Betriebsrat ermöglichen, die Auswirkungen technischer und organisatorischer Maßnahmen auf die menschliche Arbeit durch Maßnahmen des autonomen Arbeitsschutzes zu beeinflussen. Autonomer Arbeitsschutz setzt auch beim Desk-Sharing und den damit verbunden Zuweisungen der Arbeitnehmer:innen zu den einzelnen Arbeitsplätzen an. In Zeiten, in denen moderne Arbeitsformen und insbesondere das Desk-Sharing zunehmend praktiziert werden, bleibt daher abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht, bei dem der Rechtsstreit zurzeit unter dem Az. 1 ABR 7/23 anhängig ist, die Entscheidung bestätigt.