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I. Herausforderung
Betriebsratswahlen stellen aufgrund der zahlreichen formellen Anforderungen an die Durchführung der Wahl jedes Gremium vor eine große Herausforderung. Mit Blick auf die im Jahr 2022 anstehenden Betriebsratswahlen soll anhand der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf vom 03.07.2020 (Aktenzeichen 10 TaBV 71/18) illustriert werden, dass bei der Durchführung von Betriebsratswahlen der sprichwörtliche „Teufel im Detail“ steckt und eine Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl gem. § 19 BetrVG oftmals aus scheinbaren Nebensächlichkeiten folgt.
II. Inhalt der Entscheidung
Das LAG Düsseldorf hatte in seinem Beschluss vom 03.07.2020 im Wesentlichen über zwei Anfechtungsgründe zu entscheiden:
Zum einen wurde durch die Mitglieder einer Vorschlagsliste gerügt, dass sie zu Unrecht nicht zur Wahl zugelassen worden seien. Der Wahlvorstand hatte eine der Vorschlagslisten nicht zugelassen, da die Zustimmung eines Wahlbewerbers auf der Liste nicht im Original, sondern lediglich in einer eingescannten Unterschrift vorgelegen hatte.
Zum anderen hatte der Wahlvorstand das Wahlausschreiben neben einem Aushang im Betrieb auch per E-Mail an alle Mitarbeiter:innen des Betriebs versandt, die Wahlvorschläge jedoch lediglich im Betrieb ausgehangen.
Das LAG Düsseldorf entschied, dass die Einreichung einer eingescannten Unterschrift eines Wahlbewerbers auf einer Vorschlagsliste nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 3 S. 2 der Wahlordnung genüge (dies hatte das erstinstanzliche Arbeitsgericht Oberhausen noch anders gesehen). Aufgrund der Nichtzulassung der Vorschlagsliste sei die Betriebsratswahl daher nicht zu beanstanden gewesen. Die Anfechtung der Wahl war nach Auffassung des LAG Düsseldorf trotzdem begründet, da durch die Art und Weise der Verkündung der Wahlvorschläge ein Verstoß gegen § 10 Abs. 2 der Wahlordnung und somit gegen eine wesentliche Verfahrensvorschrift gem. § 19 BetrVG vorgelegen habe.
1. Schriftformerfordernis bei Einreichung der Vorschlagsliste
In Anlehnung an eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 20.01.2010 – 7 ABR 39/08) argumentierte das LAG Düsseldorf, dass Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 S. 2 der Wahlordnung nicht erfüllt werde, wenn die Unterschriften der Bewerber nicht eigenhändig auf dem Dokument erfolgt seien. Die Vorschrift ordne ausdrücklich die Schriftform i.S.d. § 126 BGB an, wonach ein Dokument eigenhändig unterschrieben sein muss.
Das strenge Schriftformerfordernis des § 126 BGB ergebe sich daraus, dass bei einem Wahlvorschlag mehrere Unterzeichner erforderlich seien. Der Absender des Wahlvorschlages kann für die Echtheit der Zustimmungserklärungen nur dann einstehen, wenn eigenhändige Unterschriften aller Bewerber vorliegen würden. Bei einer lediglich eingescannten Unterschrift wäre das Fälschungsrisiko zu hoch.
Die Argumentation des erstinstanzlichen Arbeitsgerichts Oberhausen, wonach § 6 Abs. 3 S. 2 der Wahlordnung nicht auf die Schriftform i.S.d. § 126 BGB verweise und eine eingescannte Unterschrift ausreichend sei, überzeugt aus diesen Gründen nicht völlig und wurde vom LAG Düsseldorf verworfen.
2. Pflicht zur einheitlichen Form der Bekanntmachung von Wahlausschreiben und Wahlvorschlägen
Der Wahlvorstand hatte jedoch § 10 Abs. 2 der Wahlordnung nicht eingehalten. Da der Wahlvorstand zunächst das Wahlausschreiben nicht nur im Betrieb ausgehangen, sondern zudem auch per E-Mail versandt hatte, wäre dieses Vorgehen gem. § 10 Abs. 2 der Wahlordnung zwingend auch bei der Bekanntmachung der Wahlvorschläge einzuhalten gewesen. Diese wurden jedoch nicht per E-Mail an die Mitarbeiter:innen versandt, wodurch gegen eine wesentliche Verfahrensvorschrift i.S.d. § 19 BetrVG verstoßen wurde.
Für eine Anfechtbarkeit reicht aus, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Wahl durch den Verstoß beeinflusst wurde. Im Betrieb stand mehr als eine Liste zur Wahl, sodass nicht auszuschließen war, dass die Mitglieder der im Betrieb möglicherweise weniger bekannten Liste durch die Art und Weise der Bekanntmachung benachteiligt wurden. Daher war die Wahl aufgrund des Verstoßes anfechtbar.
Erfolgt die Bekanntmachung des Wahlausschreibens nicht per E-Mail, so ist – gem. § 10 Abs. 2 der Wahlordnung – auch die Vorschlagsliste lediglich im Betrieb auszuhängen. Entscheidend war hier also, dass die Bekanntmachung von Wahlausschreiben und Vorschlagsliste nicht auf die gleiche Art und Weise erfolgte.
III. Auswirkungen auf die Betriebsratsarbeit
Gegen die Entscheidung des LAG Düsseldorfs wurde beim BAG Rechtsbeschwerde eingelegt, eine höchstrichterliche Entscheidung steht somit noch aus.
Gleichwohl stellt die Entscheidung klar, dass die formellen Anforderungen an die Betriebsratswahlen nicht nur für den Wahlvorstand, sondern auch für die jeweiligen Bewerber hoch sind. Im Ausgangspunkt sind hohe Anforderungen auch zu begrüßen, da die Integrität der Betriebsratswahl von enormer Bedeutung ist. Im Einzelfall kann dies für die Gremien – insbesondere aufgrund des Zeitdrucks, der durch die Fristen entsteht – allerdings zu einer hohen Belastung führen.
Auch das – am 18.06.2021 in Kraft getretene – Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat dahingehend keine Entlastung für die Betriebsratswahlen eingeführt. Zwar wurde die Möglichkeit der Durchführung eines vereinfachten Wahlverfahrens erweitert, die wesentlichen formellen Voraussetzungen sind aber auch in diesem Verfahren zu beachten. Die Betriebsräte und Kandidaten sollten daher darauf achten, dass nicht durch unnötige und in der Regel leicht zu behebende Formverstöße die Anfechtungsmöglichkeit vor den Arbeitsgerichten zu eröffnen.