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Am 21.05.2021 hat der Bundestag das Gesetz der Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (kurz: Betriebsrätemodernisierungsgesetz) angenommen, das am 18.06.2021 in Kraft tritt. Hintergrund des Erlasses ist das ständige Absinken der Betriebsratsgremien in Deutschland. Das Gesetz soll bewirken, dass die Mitbestimmung insgesamt gestärkt und der Kündigungsschutz verbessert wird.
Überblicksartig sollen an dieser Stelle die Neuerungen kurz vorgestellt werden:
I. Wahlverfahren
Hinsichtlich des Wahlverfahrens ergingen Änderungen, die die Gremiumswahl fördern und vereinfachen. In diesem Rahmen soll das vereinfachte Wahlverfahren ausgeweitet, der Schwellenwert für die Stützunterschriften in kleinen Betrieben herabgesenkt, das Anfechtungsrecht nach der Betriebsratswahl eingeschränkt, der Kündigungsschutz erweitert sowie das Wahlalter herabgesenkt werden.
Die Erstreckung des Kündigungsschutzes auf die Vorbereitungshandlungen der Wahl ist ein wesentlicher Punkt der Neuregelungen. Solche Vorbereitungshandlungen können in Gesprächen mit anderen Mitarbeiter:innen liegen oder der Kontaktaufnahme mit einer Gewerkschaft. Voraussetzungen für den Kündigungsschutz – die kumulativ vorliegen müssen – sind:
- dass der Mitarbeiter eine Vorbereitungshandlung für die Errichtung des Betriebsrats unternommen hat und
- dass eine öffentlich beglaubigte Erklärung nach § 129 BGB mit dem Inhalt angegeben wurde, einen Betriebsrat zu errichten.
Das Erfordernis der öffentlich beglaubigten Erklärung stellt für den Kündigungsschutz der Wahlinitiatorinnen und Wahlinitiatoren eine hohe Hürde. Die Mitarbeiter:innen können die Erklärung grundsätzlich selbst verfassen, müssen diese jedoch anschließend durch einen Notar beglaubigen lassen.
II. Datenschutzrechtliche Verantwortung
Desweitern ergänzt der Gesetzentwurf in § 79a BetrVG die datenschutzrechtliche Verantwortung des Betriebsrats. Die Verarbeitung personenbezogener Daten der Mitarbeiter, die zum Teil auch als sensible Daten angesehen werden können, gehören danach zum Kernbereich der Betriebsratsarbeit. „Verantwortlicher“ für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen bleibt jedoch der Arbeitgeber.
III. Mobile Arbeit
Die Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten wird durch die Einführung von § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG um die Regelung zur mobilen Arbeit ergänzt. Durch diese Änderungen sollen Betriebsrat und Arbeitgeber eine für den Betrieb passende Vereinbarung für die Ausgestaltung der mobilen Arbeit treffen. Darüber hinaus wird der Versicherungsschutz bei Arbeitsunfällen im Homeoffice ausgeweitet. Der Schutz von Arbeitsunfällen gilt danach gem. § 8 Abs. 1 S. 3 SGB VII n.F. gleichermaßen auch für Tätigkeiten im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII gilt der Verssicherungsschutz ebenfalls für unmittelbare Wege zu dem Ort, an dem die Kinder betreut werden, wenn die versicherte Tätigkeit in dem gemeinsamen Haushalt ausgeübt wird.
IV. Künstliche Intelligenz
Um der Relevanz künstlicher Intelligenz (KI) auch am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen, beinhaltet das neue Gesetz in den §§ 80 Abs. 3, 90 Abs. 1 Nr. 3, 95 Abs. 2a BetrVG „Arbeitshilfen“, die den Gremien im Umgang mit KI helfen sollen.
V. Qualifizierung
Die Betriebsräte sollen zudem in ihrer Qualifizierung / Weiterbildung durch § 96 Abs. 1a BetrVG n.F. gestärkt werden. Der Gesetzgeber erkennt die wichtige Rolle des Betriebsrats im Rahmen der betrieblichen Qualifikationsmaßnahmen an. Bei Scheitern der Verhandlungen gemäß § 96 Abs. 1 BetrVG besteht nunmehr die Möglichkeit, eine Einigungsstelle einzuberufen, die zwischen den Parteien „vermitteln“ soll.
VI. Virtuelle / hybride Betriebsratssitzung
Der während der Pandemie vom Gesetzgeber eingeführte § 129 BetrVG, der in seinem Absatz 1 die virtuelle und hybride Möglichkeit der Betriebsratssitzung regelt, tritt am 30.06.2021 außer Kraft. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz greift diese Form der Abhaltung von Betriebsratssitzungen auf und sieht in § 30 Abs. 2 und 3 BetrVG n.F. unter den folgenden Voraussetzungen weiterhin eine virtuelle bzw. hybride Betriebsratssitzung vor:
- Die Voraussetzungen für die Teilnahme an einer solchen Sitzung sind in einer Geschäftsordnung festgelegt.
- Es besteht kein Widerspruch gegen die virtuelle oder hybride Betriebsratssitzung von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist.
- Es muss sichergestellt werden, dass Dritte von den Inhalten der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.
Nach § 30 Abs. 1 BetrVG n.F. gilt aber richtiger Weise weiterhin, dass Präsenzsitzungen Vorrang vor den virtuellen bzw. hybriden Sitzungen haben.