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Mit Entscheidung vom 17.10.2023 setzte sich das BAG mit einem Smartphone-Verbot während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken und der äußerst streitigen Frage nach der Mitbestimmung des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auseinander. Im Ergebnis lehnte das BAG zwar eine Mitbestimmung des Betriebsrats im konkreten Fall ab. Jedoch kommt auch nach der Entscheidung des BAG weiterhin eine Mitbestimmung des Betriebsrats bei Smartphone-Verboten in Betracht.
Das BAG befasste sich in seiner Entscheidung vom 17.10.2023 dogmatisch vertieft mit der, insbesondere in der Praxis, schwierigen Abgrenzung zwischen dem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten und dem mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG fällt nämlich das Arbeitsverhalten im Wege einer teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG heraus.
Zugleich half das BAG mit seiner Entscheidung dem langwierigen Streit um die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Smartphone-Verboten während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken ab. Schließlich ist die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Smartphone-Verboten während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken sowohl in der Instanzrechtsprechung (für eine Mitbestimmung etwa ArbG München 18.11.2015 – 9 BVGa 52/15; gegen eine Mitbestimmung etwa LAG Rheinland-Pfalz 30.10.2009 – 6 TaBV 33/09) als auch in der Literatur (für eine Mitbestimmung etwa Richardi, § 87 Rn. 191; gegen eine Mitbestimmung etwa Stück, ArbRAktuell 2010, 432) äußerst umstritten.
Der hiesigen Entscheidung des BAG lag der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Sachverhalt
Die Arbeitgeberin ist Herstellerin für Brems- und Kraftstoffsysteme für Kraftfahrzeuge. In den Bereichen der Produktion und des Versands sowie Wareneingangs kam es allerdings gehäuft zu Arbeitsunterbrechungen der Arbeitnehmer:innen. In diesen Zeiträumen setzte die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer:innen sodann für etwaige Nebenarbeiten ein, wie etwa das in Ordnung bringen ihrer Arbeitsplätze.
Mit einer Mitarbeitendeninformation vom 18.11.2021 teilte die Arbeitgeberin im Betrieb „Regeln zur Nutzung privater Handys während der Arbeitszeit“ mit. Danach sei „jede Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones während der Arbeitszeit nicht gestattet“. Bei Zuwiderhandlungen sollten arbeitsrechtliche Sanktionen erfolgen.
Daraufhin verlangte der Betriebsrat von der Arbeitgeberin erfolglos die Unterlassung der Mitarbeitendeninformation. Schließlich stehe ihm ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu. Das Smartphoneverbot berühre das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer:innen. Es kollidiere auch insoweit nicht mit der vertraglichen Arbeitspflicht.
Der Betriebsrat beantragte daher bei Gericht unter anderem, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, die Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit zu verbieten, solange er dem Verbot nicht zugestimmt hat oder seine fehlende Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist.
Die Arbeitgeberin beantragte hingegen, die Anträge abzuweisen. Dem Betriebsrat stehe kein Mitbestimmungsrecht zu. Das Smartphoneverbot spezifiziere nur die vertragliche Arbeitspflicht der Arbeitnehmer:innen, ihre Arbeit weiterhin fokussiert zu verfolgen. Insoweit tangiere das Mitbestimmungsrecht das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten.
Entscheidung
Nach Auffassung des BAG war der Antrag des Betriebsrats zulässig, jedoch unbegründet. Dem Betriebsrat stehe kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG habe der Betriebsrat bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Das Ordnungsverhalten sei berührt, „wenn die Maßnahme des Arbeitgebers auf die Gestaltung des kollektiven Miteinanders oder die Gewährleistung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebs zielt“. Hingegen seien Maßnahmen der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entzogen, sofern sie das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer:innen betreffen. Solche Maßnahmen seien indes zu bejahen, wenn sie die Arbeitspflicht unmittelbar abfordern und konkretisieren.
Sofern eine Maßnahme des Arbeitgebers sowohl auf das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten als auch auf das mitbestimmungsfeie Arbeitsverhalten ausgerichtet sei, sei für die Einordnung der Maßnahme „der überwiegende Regelungszweck“ entscheidend. Im Zuge der Beurteilung komme es auf den „objektiven Inhalt der Maßnahme“ an. Dafür sei wiederum eine „-qualitative Gewichtung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls“ anzustrengen.
Gemessen hieran ziele nach Auffassung des BAG das Smartphoneverbot während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken primär auf das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten ab. Es sei nach seinem objektiven Inhalt darauf bezogen, ein konzentriertes Arbeiten der Arbeitnehmer:innen während der Arbeitszeit zu gewährleisten. Eine private Ablenkung durch Smartphones solle verhindert werden. Schließlich wiesen Smartphones zahlreiche Möglichkeiten auf, die Aufmerksamkeit der Arbeitnehmer:innen auf sich zu ziehen und diese insoweit von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung abzulenken und auch davon abzuhalten.
Diese Ausführungen gelten nach Ansicht des BAG auch im Kontext solcher Zeiträume, in denen es bei der Arbeitgeberin zu Arbeitsunterbrechungen kam. Denn auch in diesen Zeiträumen stehe der Arbeitgeberin ein Weisungsrecht zu, weshalb sie den Arbeitnehmer:innen Nebenarbeiten abverlangen kann. Insoweit sei gleichsam das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten berührt.
Letztlich führe eine Maßnahme, die sowohl das Ordnungsverhalten als auch das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer:innen tangiert, nicht dazu, dass sich die Maßnahme in Gänze auf das kollektive Miteinander und indes auf das Ordnungsverhalten erstreckt.
Praxishinweise
Die Entscheidung des BAG schafft nunmehr bei Smartphoneverboten während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken und der Frage nach der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG Rechtssicherheit.
Zwar steht dem Betriebsrat nun nach der Entscheidung des BAG bei einem Verbot, Smartphones während der Arbeitszeit privat zu nutzen, kein Mitbestimmungsrecht zu. Allerdings bleibt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG weiterhin bestehen, sofern ein Smartphoneverbot überwiegend das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten und nicht das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betrifft. Dies kann etwa der Fall sein, sofern der Arbeitgeber die Mitnahme des Smartphones zum Arbeitsplatz grundsätzlich oder deren Nutzung in Pausenzeiten verbietet (vgl. Eufinger, MMR 2024, 323 (236)).
Darüber hinaus existiert auch weiterhin eine Mitbestimmung des Betriebsrats in den Fällen des sogenannten „Bring you own device“ („BYOD“). Dem Betriebsrat steht in diesem Zusammenhang in Bezug auf die Nutzung („Wie“) privater Endgeräte zu dienstlichen Zwecken ein Mitbestimmungsrecht vor allem nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu (Fitting, § 87 Rn. 72). Nebstdem erlangt im Kontext von BYOD aber auch eine Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zur Ausgestaltung der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen Relevanz (Fitting, § 87 Rn. 243).
Nichtzuletzt führt gleichsam die Einführung dienstlicher Smartphones zu einer Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Kramer IT-ArbR, § 3 Kollektives Arbeitsrecht Rn. 59).
In summa sollten daher Betriebsräte und die Arbeitgeberseite im Zuge von Smartphone-Verboten grundsätzlich darauf aus sein, gemeinsame und einvernehmliche Lösungen zu erzielen – dies führt auch zu mehr Akzeptanz in der Belegschaft.