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Nicht immer gelingt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat. Vereinzelt mag der Arbeitgeber versucht sein, aufgrund (vermeintlicher) Verstöße gegen die Betriebsverfassung eine Abmahnung auszusprechen. Doch ist eine solche Abmahnung zulässig? Und kann sie in die Personalakte aufgenommen werden? Eine neuere Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 11.03.2021 (1 TaBV 24/20) schafft etwas Klarheit.
Was war geschehen?
Die Arbeitgeberin hatte einem der Betriebsratsmitglieder zwei Schreiben zukommen lassen.
Das erste Schreiben war mit ,,Abmahnung“ betitelt. In diesem rügte sie zunächst, dass das Betriebsratsmitglied eine Führungskraft genötigt habe. Darüber hinaus beanstandete sie, dass das Betriebsratsmitglied unwahre Tatsachenbehauptungen gegenüber der betrieblichen Öffentlichkeit auf zwei Betriebsversammlungen und im Intranet verbreitet habe. Darin sah die Arbeitgeberin einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Im Wiederholungfall drohte sie ein Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG an.
Im zweiten Schreiben warf sie dem Betriebsratsmitglied vor, wiederholt gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit verstoßen zu haben. Es habe versucht, unter Begehung von Verstößen gegen das Datenschutzrecht personenbezogene Daten zu erlangen. Zudem habe es seine Verschwiegenheitspflicht, die aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit resultiere, verletzt.
Diese beiden Schreiben fügte die Arbeitgeberin der Personalakte bei.
Erfolg in erster Instanz
Das Betriebsratsmitglied strengte ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Nürnberg an und beantragte die Entfernung dieser Schreiben aus der Personalakte.
Es führte aus, dass die Arbeitgeberin eine Amtspflichtverletzung bezüglich seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied rüge und mit seinem Ausschluss aus dem Betriebsrat drohe. Dies betreffe gerade seine betriebsverfassungsrechtlichen und nicht die individualrechtlichen Pflichten. Die Personalakte sei jedoch nur für die persönlichen und dienstlichen Angelegenheiten der Mitarbeitenden gedacht. Dementsprechend dürften die Schreiben nicht in die Personalakte aufgenommen werden.
Dem hielt die Arbeitgeberin entgegen, dass sie berechtigt sei, betriebsverfassungsrechtliche Beanstandungen in die Personalakte des Arbeitnehmers aufzunehmen. Dies ergebe sich daraus, dass andernfalls eine künstliche und nicht zulässige Trennung von Haupt- und Nebenakten entstehe. Weiterhin vertrat sie die Ansicht, dass sie mit beiden Schreiben individual- und betriebsverfassungsrechtliche Pflichten gerügt habe und daher Mischtatbestände vorgelegen hätten. Auch dieser Umstand berechtige sie, die streitgegenständlichen Schreiben zu der Personalakte zu nehmen.
Mittels gerichtlicher Entscheidung bejahten die Richter:innen des Arbeitsgerichts Nürnberg den Entfernungsanspruch des Betriebsratsmitglieds (ArbG Nürnberg, 25.06.2020 – 10 BV 125/19). Diese Entscheidung griff die Arbeitgeberin sodann vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg an.
Was ist überhaupt eine Personalakte?
Das Landesarbeitsgericht bestätigte den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg und bejahte einen Entfernungsanspruch des Betriebsratsmitglieds nach §§ 242, 1004 Abs. 1 BGB analog.
Die Kammer führte aus, dass Personalakten Sammlungen von Urkunden und Vorgängen seien, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stünden. Sie sollten möglichst ein vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über diese Verhältnisse geben. Daher dürfe eine Rüge eines Verhaltens, das mit dem Arbeitsverhältnis als solches nichts zu tun habe, nicht in die Personalakte des Arbeitnehmers aufgenommen werden. Andernfalls könne dies berufliche Nachteile aus Gründen, die das Arbeitsverhältnis nicht betreffen, zur Folge haben.
Die Arbeitgeberin habe mit ihren Schreiben jedoch eindeutig auf die Stellung des Betriebsratsmitglieds als Betriebsrat abgezielt – so das Landesarbeitsgericht Nürnberg. Sie habe in erster Linie Verstöße gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten gerügt. Dies werde dadurch deutlich, dass sie in dem Verhalten des Betriebsratsmitglieds einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit sehe und im Wiederholungsfall einen Ausschluss aus dem Betriebsrat gem. § 23 Abs. 1 BetrVG beantragen wolle. Habe die Arbeitgeberin individualrechtliche Pflichtverstöße geltend machen wollen, so sei dies ausdrücklicher hervorzuheben gewesen.
Was darf in einer individualrechtlichen Abmahnung überhaupt gerügt werden?
Weiterhin machten die Nürnberger Richter:innen deutlich, dass sofern eine Abmahnung auf mehrere Pflichtverletzungen gestützt werde, diese bereits dann aus der Personalakte zu entfernen sei, wenn nur eine dem Arbeitnehmer zur Last gelegte Pflichtverletzung nicht zutreffe. Dies sei der Fall gewesen. Verletzungen betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten hätten in einer individualrechtlichen Abmahnung nichts zu suchen.
Fazit
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist folgerichtig und zu begrüßen. Die Stellungen als Mitarbeitender und Betriebsratsmitglied sind strikt voneinander zu trennen. Daraus folgt konsequenterweise, dass die Abmahnung eines Verhaltens, das – vermeintlich – gegen das Betriebsverfassungsrecht verstößt, nicht in die Personalakte aufgenommen werden darf. Diese soll letztlich das individualrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und betroffenen Arbeitnehmer abbilden – nicht das kollektivrechtliche Verhältnis als Mitglied des Betriebsratsgremiums.
Darüber hinaus ist schon die Zulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung strittig. Zum Teil wird sie als Vorbereitung für ein etwaiges späteres Ausschlussverfahrens anerkannt. Die wohl herrschende Meinung zweifelt – zurecht – die Zulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung an. Durch Schaffung des § 23 Abs. 1 BetrVG habe der Gesetzgeber nur Reaktionsmöglichkeiten für grobe Pflichtverletzungen des Betriebsrats vorgesehen, um nicht schon bei einfachen Fehlern die vertrauensvolle Zusammenarbeit zu belasten bzw. sogar die Zusammensetzung des Gremiums zu beeinflussen. Deshalb müsse nur bei groben Verstößen ein Ausschluss aus dem Betriebsrat möglich sein. Zudem sei es systemwidrig dem Arbeitgeber ein solches Instrument an die Hand zu geben und nicht den anderen nach § 23 Abs. 1 BetrVG Antragberechtigten, wie bspw. einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer.
Auch wenn die Zulässigkeit der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung abzulehnen ist und eine solche erst Recht nicht in die Personalakte gehört, ist eine offene Kommunikation zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsratsmitglied bzw. dem Betriebsrat bei vermeintlichen Verstößen gegen das Betriebsverfassungsrecht zwingend zu empfehlen. Nur so lässt sich die Wiederholung von vermeintlichen Fehlverhalten vermeiden und eine ungetrübte Zusammenarbeit erreichen, was letztlich auch das ehrliche Ziel einer Abmahnung sein sollte.