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I. Einführung
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz nimmt im Arbeitsleben stetig zu. Dabei stellt sich vor allem die Frage, wie die Betriebsräte in den jeweiligen Implementationsprozess zu beteiligen sind.
Insbesondere in dem Bereich der „Personalanalytik“ ist die Einführung von Künstlicher Intelligenz durchaus gegenwärtig. Zunehmend kommt der Einsatz aber auch im Kontext des „Algorithmische[n] Management[s]“ und der „Automatisierung von Aufgaben“[1] zum Tragen. Im folgenden Beitrag sollen die Rolle und Rechte des Betriebsrats bei dem Einsatz und der Anwendung von Künstlicher Intelligenz in der betrieblichen Praxis dargestellt werden. Vorab kann bereits festgestellt werden, dass die Beteiligung der Betriebsräte und deren Mitbestimmung an herausragender Wichtigkeit gewinnt.
II. Einsatzbereiche im Arbeitsleben
Die Personalanalytik umschreibt die Analyse personenbezogener Daten aus dem Personalwesen mittels Künstlicher Intelligenz. Sie erlangt vor Begründung des Arbeitsverhältnisses, im laufenden Arbeitsverhältnis sowie vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses Bedeutung. Vor Begründung des Arbeitsverhältnisses erfolgt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz etwa zur Optimierung von Stellenanzeigen, zur Auswertung von Berufsnetzwerken wie LinkedIN und Xing für die Talentfindung sowie zur Analyse eingehender Bewerbungen. Im laufenden Arbeitsverhältnis findet der Einsatz Künstlicher Intelligenz vor allem zur Personalbeurteilung, Personalentwicklung und Personaleinsatzplanung statt. Im Kontext der Beendigung von Arbeitsverhältnissen wird die Künstliche Intelligenz künftig bei Abmahnungen und Kündigungen eine Rolle spielen.
Das Algorithmische Management erfasst indes die Automatisierung und Teilautomatisierung von Arbeitgeber-Entscheidungen mittels Künstlicher Intelligenz. Darunter fallen beispielsweise das Urlaubs- und Abwesenheitsmanagement, die Erstellung von Dienstplänen oder die Zuweisung von Aufgaben.
Das Automatisieren von Aufgaben beschreibt überdies die Aufgabenübernahme durch Künstliche Intelligenz, wie beispielsweise durch intelligente Softwareroboter und intelligente physische Roboter. Letztere werden bereits in der Automobilindustrie zur Früherkennen von Beschädigungen an Karosserien eingesetzt.
III. Reaktion des deutschen Gesetzgebers
Der deutsche Gesetzgeber reagierte mit Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes vom 17.06.2021 auf den vermehrten Einsatz Künstlicher Intelligenz in der betrieblichen Praxis. Er nahm erstmals ausdrücklich Rechte des Betriebsrates zur Regulierung Künstlicher Intelligenz in das BetrVG auf. Seitdem besteht zwischen den Betriebsparteien jedoch Streit und Unsicherheit darüber, wie der betriebsverfassungsrechtliche Begriff der Künstlichen Intelligenz zu verstehen ist. Es lohnt sich daher, einen näheren Blick auf den Begriff der Künstlichen Intelligenz zu richten, um sodann vor allem die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Zuge der Einführung und Anwendung Künstlicher Intelligenz zu beleuchten.
IV. Begriff der Künstlichen Intelligenz
Der Begriff der Künstlichen Intelligenz ist schwierig zu fassen, zumal bereits unklar und streitig ist, was menschliche Intelligenz überhaupt ausmacht. Es existieren daher verschiedene Versuche und Ansätze aus der Informatik und Rechtswissenschaft den Begriff der Künstlichen Intelligenz zu definieren.
Seit in Kraft treten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes finden sich in der Rechtswissenschaft vermehrt Definitionsversuche zum betriebsverfassungsrechtlichen Verständnis des Begriffs der Künstlichen Intelligenz. Schließlich verzichtete der deutsche Gesetzgeber auf eine etwaige Definition.[2] Insoweit vertritt ein Teil der Literatur[3] einen eher restriktiven Ansatz des betriebsverfassungsrechtlichen Verständnisses der Künstlichen Intelligenz. Danach beschreibe Künstliche Intelligenz technische Systeme, die menschenähnliches Verhalten imitieren, das nicht gänzlich vorhersehbar ist.[4] Demgegenüber begreift ein anderer Teil der Literatur den Begriff der Künstlichen Intelligenz als eher extensiv.[5] Danach sollen alle Formen der Künstlichen Intelligenz von dem Begriff erfasst sein.[6]
Die Definition aus dem Entwurf für eine europäische Verordnung über Künstliche Intelligenz vom 21.04.2021 sprach jedenfalls für ein weites Verständnis des betriebsverfassungsrechtlichen Begriffs der Künstlichen Intelligenz. Auch die Definition aus dem Änderungsantrag des Europäischen Parlaments vom 16.05.2023[7] zu dem Entwurf bekräftigt dieses Ergebnis, gleichwohl die Definition nun restriktiver ist als im ursprünglichen Entwurf. In Art. 3 Nr. 1 des Entwurfs für eine Verordnung über Künstliche Intelligenz heißt es nunmehr:
„ ‘Artificial intelligence system’ (AI System) means a machine-based system that is designed to operate with varying levels of autonomy and that can, for explicit or implicit objectives, generate outputs such as predictions, recommendations, or decisions that influence physical or virtual environments.”
Diese Definition stellt wie auch die vorherige nicht auf eine etwaige Unvorhersehbarkeit der mittels Künstlicher Intelligenz generierter Ergebnisse ab.
V. Überblick über die Rechte des Betriebsrates
Die Rechte des Betriebsrates bei dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Betrieb sind vielseitig; ein Überblick über die wesentlichen Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte ist nachfolgend zu geben.
1. Betriebsrätemodernisierungsgesetz
Jüngst implementierte der deutsche Gesetzgeber mit Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetz die nachfolgenden Rechte des Betriebsrates im Zusammenhang mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz in das BetrVG.
a. Hinzuziehung eines Sachverständigen, § 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG
Mit § 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG gilt nun die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich, sofern der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen muss. § 80 Abs. 3
S. 2 BetrVG fingiert somit die Prüfung der Erforderlichkeit bei der Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz und gewährt insoweit eine Erweiterung der Rechte des Betriebsrates.
b. Unterrichtungsrecht, § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG
Nach § 80 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat überdies über die Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen einschließlich des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten. Dies lässt sich jedoch nur als bloße Klarstellung werten.
c. Mitbestimmungsrecht bei Auswahlrichtlinien, § 95 Abs. 2a BetrVG
Ebenfalls stellt § 95 Abs. 2a BetrVG lediglich klar, dass die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Aufstellung von Auswahlrichtlinien nach § 95 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG bei dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Geltung kommen. Dabei erlangt § 95 Abs. 2a BetrVG vor allem in dem Bereich der Personalanalytik und der Verhinderung diskriminierender Algorithmen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Relevanz.
2. Weitere, bedeutende Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte
Abseits des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes existieren aber auch weitere Rechte des Betriebsrats, die im Zuge des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz bedeutend sind.
a. Unterrichtungs-/Beratungsrecht bei Personalplanung, § 92 Abs. 1 BetrVG
92 Abs. 1 BetrVG ist etwa zu berücksichtigen, sofern durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz langfristig Arbeitsplätze wegfallen oder auch mittel- und kurzfristig neue Arbeitsplätze entstehen.
b. Vorschlags-/Beratungsrecht bei Förderung der Berufsbildung, § 92a BetrVG
Zudem kann § 92a BetrVG in Betracht kommen, sofern mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz Änderungen in Bezug auf die Aufgaben der Arbeitnehmer, Arbeitsmethoden und die Arbeitsorganisation verbunden sind; insbesondere auch der Qualifizierungsbedarf der Arbeitnehmer steigt und ein frühzeitiges Erkennen und Handeln des Betriebsrats essentiell wird.
c. Vorschlags-/Beratungsrechte bei Berufsbildung §§ 96 Abs. 1, 97 Abs. 1 BetrVG
Daran anknüpfend können auch die §§ 96 Abs. 1 S. 2, S. 3, 97 Abs. 1 BetrVG Wirkung entfalten, sofern der Einsatz von Künstlicher Intelligenz etwa Fortbildungen und Lehrgänge für Arbeitnehmer erfordert – beispielsweise, um technische Systeme, die mit Künstlicher Intelligenz funktionieren, sinnvoll zu nutzen.
d. Mitbestimmungsrechte bei Berufsbildung nach §§ 97 Abs. 2, 98 Abs. 1 BetrVG
Schließlich kommen sodann die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach §§ 97 Abs. 2 S. 1, 98 Abs. 1 BetrVG zum Tragen. Führt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu tätigkeitsändernden Maßnahmen, sodass die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitnehmer zur Erfüllung der Aufgaben nicht mehr ausreichen, steht dem Betriebsrat insoweit ein Initiativrecht für die Einführung von Anpassungsqualifizierungen („Ob“) nach § 97 Abs. 2 S. 1 BetrVG zu. Im Weiteren obliegt dem Betriebsrat auch nach § 98 Abs. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht für die Durchführung („Wie“) der betrieblichen Bildungsmaßnahmen.
e. Unterrichtungs- und Zustimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen, § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG
In dem Bereich der Personalanalytik sind insbesondere noch das Unterrichts- und Zustimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG zu berücksichtigen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz kann in diesem Zusammenhang nämlich die Frage aufwerfen, ob ein Verstoß gegen § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG i.V.m. Art. 22 DS-GVO vorliegt. Nach Art. 22 DS-GVO hat die betroffene Person das Recht, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt.
f. Mitbestimmungsrecht bei Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
Überdies ist bei dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz stets auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu berücksichtigen. Bei dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz in technischen Einrichtungen können regelmäßig personenbezogene Daten verarbeitet werden, die eine objektive Gefahr für eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Arbeitnehmer begründen. Daher ist in solchen Verhandlungen unter anderem darauf Wert zulegen, dass sämtliche personenbezogenen Daten dargestellt und ihre jeweiligen Verknüpfungen transparent gemacht werden. Auch sind Entscheidungsprozesse – auch des Systems – nachvollziehbar darzustellen.
g. Mitbestimmungsrecht beim Gesundheitsschutz, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG
Letztlich ist vor allem auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu beachten. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz kann ebenso für ein erhöhtes Arbeitstempo, eine erhöhte Arbeitsintensität sowie für eine Arbeitsverdichtung sorgen. Dem ist insbesondere mit einer Gefährdungsbeurteilung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 5 ArbSchG als Startpunkt und der Mitbestimmung entsprechender Maßnahmen nach § 3 ArbSchG entgegenzutreten.
h. Übrige Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte
Darüber hinaus existieren im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz weitere Rechte des Betriebsrats, wie exemplarisch §§ 28, 28a BetrVG, § 89 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 BetrVG etc., die hier jedoch nicht alle angeführt werden können.
VI. Ausblick
In summa kommt dem Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz im Betrieb eine immer bedeutsamere Rolle zu. Gleichwohl stellt die Implementierung die Betriebsräte auch vor technische wie auch rechtliche Herausforderungen. Eine der wesentlichen Herausforderung besteht vor allem darin, wie der Begriff der Künstlichen Intelligenz, vornehmlich im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne, zu verstehen ist. Sodann gilt es für Betriebsräte frühzeitig zu erkennen, welche zahlreichen Mitbestimmungsrechte für sie in Betracht kommen, einschlägig und sodann auszugestalten sind. Zugleich ist die Arbeitgeberseite dazu angehalten, eine rechtzeitige und unerlässliche Einbindung von Betriebsräten bei der Einführung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz in der betrieblichen Praxis sicherzustellen. Vor allem ist die frühzeitige Einbindung von Betriebsräten aber auch für die Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz in der Belegschaft entscheidend.[8] Auf europäischer Ebene sind bereits weitere Schritte in Richtung einer Verordnung für Künstlichen Intelligenz getan. Dabei hat vor allem der Begriff der Künstlichen Intelligenz nochmals eine neue Konturierung erfahren. Auf nationaler Ebene wird mittelfristig ein Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz zu erwarten sein, das ebenfalls neue Regelungen zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz vorsehen wird.
[1] Zu allen Begriffen: Waas RdA 2022, 125 (127).
[2] Siehe BT-Drs. 19/28899.
[3] So etwa ErfK, § 80 BetrVG Rn. 36; Fitting, § 80 Rn. 94a; Frank/ Heine NZA 2021, 1448 (1452); Geminn ZD 2021, 354 (355).
[4] Frank/ Heine NZA 2021, 1448 (1452).
[5] So beispielsweise Reinartz NZA-RR 2021, 457 (467).
[6] Reinartz NZA-RR 2021, 457 (467).
[7] https://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2014_2019/plmrep/COMMITTEES/CJ40/DV/2023/05-11/ConsolidatedCA_IMCOLIBE_AI_ACT_EN.pdf (zul. abgerufen am 29. September 2023).
[8] BT-Drs. 19/28899 S. 15.