40 BetrVG
Arbeitgeber:innen müssen Betriebsräten für ihre Arbeit geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. In manch einem Betrieb herrscht Streit darüber, was dem Betriebsrat zuzumuten ist und welche Anforderungen für seine Arbeitsräume angemessen sind. Die am 31. Juli 2023 ergangene Entscheidung des LAG Hessen (16 TaBV 151/22) benennt konkrete Anforderungen an geeignete Räumlichkeiten, wirft nebenbei aber eine andere Frage auf.
Was war geschehen?
Ein Textileinzelhandelsunternehmen mit etwa 3000 Mitarbeitern in Deutschland hat die Räumlichkeiten, die bisher einem dreiköpfigen Betriebsrat in einer Filiale mit etwa 35 Mitarbeitern zur Verfügung standen, für andere Zwecke beansprucht. Der Arbeitgeber wollte das bisherige, rund 19 m² große Betriebsratsbüro als Managerbüro nutzen und hat dem Betriebsrat stattdessen ein etwa 75 m² großes Büro, 500 m entfernt von der Filiale, zugewiesen. Dieses neue Büro befand sich in einem Gebäude mit einem Immobilienbüro im Erdgeschoss und war mit diesem nicht vollständig räumlich getrennt. Nach einem vorläufig vollstreckbaren Beschluss des Arbeitsgerichts zog der Betriebsrat vorerst in die neuen Räumlichkeiten um.
Der Betriebsrat hat gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, das die Räumung für rechtmäßig erklärte, Beschwerde eingelegt, mit der Begründung, dass die neuen Räumlichkeiten für die Arbeit des Betriebsrats ungeeignet seien, die Vertraulichkeit gefährdet sei und die Kommunikation mit der Belegschaft erschwert werde. Der Betriebsrat argumentierte, dass ein Betriebsratsbüro grundsätzlich im Betrieb gelegen sein sollte, um für die Mitarbeiter jederzeit erreichbar zu sein. Der Arbeitgeber verteidigte die Entscheidung mit seinem Bedarf an einem Managerbüro in der Filiale und der Angemessenheit der neuen Räumlichkeiten, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen würden.
Wie entschied das Landesarbeitsgericht?
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts und damit gegen die Räumung seines bisherigen Büros und die Zuweisung der neuen Räumlichkeiten hatte Erfolg. Obwohl der Arbeitgeber grundsätzlich das Recht habe, dem Betriebsrat andere Räume zur Verfügung zu stellen, müssten diese den Bedürfnissen des Betriebsrats entsprechen, funktional sein und den betrieblichen Standards genügen. Dabei müssten die Räume so abgeschirmt sein, dass Gespräche nicht von Unbefugten eingesehen oder mitgehört werden können.
Die dem Betriebsrat neu zugewiesenen Räume erfüllten diese Anforderungen nicht. Insbesondere der kleinere, hintere Raum, der durch ein Fenster vom größeren Vorraum aus einsehbar und lediglich durch eine einfache Zimmertür gesichert sei, biete nicht ausreichend Platz und Schutz für die Tätigkeiten eines dreiköpfigen Betriebsrats. Der Vorraum sei aufgrund mangelnder Sicherheit und fehlendem Schallschutz für Betriebsratstätigkeiten ungeeignet. Eine bauliche Anpassung mit Schallschutz und einer abschließbaren Sicherheitstür wäre notwendig, um die Räumlichkeiten für den Betriebsrat nutzbar zu machen.
Die rechtliche Begründung im Einzelnen
Das LAG stützt seinen Beschluss im Wesentlichen auf § 40 BetrVG. Demzufolge ist es Pflicht des Arbeitgebers, dem Betriebsrat die für seine Arbeit erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Dazu zählen auch geeignete Räumlichkeiten, die funktionsgerecht eingerichtet sein müssen und einen angemessenen betrieblichen Standard aufweisen sollten. Wichtig ist dabei, dass die Räumlichkeiten eine vertrauliche Amtsausübung des Betriebsrats ermöglichen, was neben ausreichender Sicherung von Unterlagen und anderen Arbeitsgegenständen auch eine optische und akustische Abschirmung erfordert, um Einblick und Mithören durch Unbefugte zu verhindern.
Diesen spezifischen Bedürfnissen der Betriebsratsarbeit entsprächen die dem Betriebsrat neu zugewiesenen Räume nicht. Dem Betriebsrat wurden zwei Räume zugewiesen, wobei der kleinere, etwa 15 bis 20 m² große Raum von dem größeren Raum aus durch ein Innen-Fenster eingesehen werden konnte. Der vordere, größere Raum hingegen konnte auch von Beschäftigten des Immobilienbüros betreten werden.
Das LAG sah die Anforderungen an eine vertrauliche Amtsausübung dadurch nicht als ausreichend erfüllt an. Der Arbeitgeber hatte zwar in Aussicht gestellt, das Innenfenster mit einer Jalousie zu versehen, was aber nicht erfolgt war. Auch im Hinblick auf seine Größe sei der kleine, hintere Raum allein nicht für die Betriebsratsarbeit geeignet. Dabei sei zu berücksichtigen, dass neben dem dreiköpfigen Gremium noch ein bis zwei Gäste an einem Besprechungstisch Platz finden sollten. Auch müssten in dem kleineren Raum Schreibtische für alle Betriebsratsmitglieder sowie ein abschließbarer Schrank Platz finden.
Der zwar große, aber offene Vorraum sei für Betriebsratstätigkeiten in der derzeitigen Beschaffenheit überhaupt nicht nutzbar. Dies liege einerseits an fehlendem Schallschutz, wodurch Gespräche aus dem Immobilienbüro jederzeit mitgehört werden könnten. Außerdem sei die Tür nicht ausreichend mit einem Sicherheitsschloss gesichert, sodass die Betriebsratsmitglieder dort keine Unterlagen liegen lassen könnten, sondern sie jeweils nach Ende ihrer Tätigkeit in dem kleinen Raum einschließen müssten.
Das LAG sah es jedoch als möglich an, die Geeignetheit der Räume für eine Betriebsratstätigkeit noch herzustellen. Dazu müsste eine bauliche Abtrennung der Betriebsratsräume gegenüber dem Immobilienbüro mit entsprechendem Schallschutz sowie einer abschließbaren Sicherheitstür erfolgen.
Welche Bedeutung hat die Entscheidung?
Das LAG hat eine Rechtsbeschwerde gegen seinen Beschluss nicht zugelassen. Insoweit das LAG Hessen die neuen Räume des Betriebsrats wegen der fehlenden Vertraulichkeit als ungeeignet betrachtet hat, folgt es bereits ergangenen Entscheidungen in ähnlichen Verfahren, die abschließbare Räume und eine optische und akustische Abschirmbarkeit für erforderlich hielten.
Demgegenüber weicht der abschließende Hinweis, die Geeignetheit der Räume könne nachträglich hergestellt werden, von der Rechtsprechung anderer Landesarbeitsgerichte ab. (So bspw. LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 31.5.2017 – 1 TaBV 48/16.) Die vom Betriebsrat auch bemängelte Entfernung der Räume vom Betrieb – immerhin 500 m – war hier zwar nicht entscheidungserheblich, da das LAG die Räume schon so richtigerweise als ungeeignet ansah. Mit seinem Hinweis deutet das LAG in seiner Entscheidung jedoch an, auch 500 m vom Betrieb entfernte Räume könnten für die Arbeit des Betriebsrates grundsätzlich geeignet sein. Im Hinblick auf Sinn und Zweck des Betriebsratsbüros als direkter Anlaufstelle für die Beschäftigten im eigenen Betrieb ist diese Auslegung des LAG Hessen zurückzuweisen. Vor dem Hintergrund der bisher in vergleichbaren Fällen ergangenen Rechtsprechung und der in der Literatur dazu überwiegend vertretenen Ansichten ist zudem nicht davon auszugehen, dass sich diese Auslegung durchsetzt.