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Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat nach § 40 Abs. 2 BetrVG in „erforderlichem“ Umfang Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Im Hinblick auf das im Jahr 2021 erlassene Betriebsräte-modernisierungsgesetz, das die Durchführung von virtuellen und hybriden Betriebsratssitzungen nach § 30 Abs. 2 und 3 BetrVG vorsieht, stellt sich für Gremien immer wieder die Frage, welche IT-Ausstattung für sie nun „erforderlich“ ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist entscheidend, dass die Kosten für technische Ausstattung im Zeitpunkt ihrer Verursachung bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände für erforderlich gehalten werden durften, damit der Betriebsrat seine Aufgaben „sachgerecht“ erfüllen kann. Demnach ist eine Büro-Grundausstattung mit Computer und Telefon unstreitig von der Rechtsprechung anerkannt, ebenso bejaht wurde ein zusätzlicher tragbarer Laptop sowie ein Beamer für das Gremium.
Das Landesarbeitsgericht München befasste sich in seiner Entscheidung vom 07.12.2023 – Az. 2 TaBV 31/23 mit der Frage, ob auch jedes einzelne Betriebsratsmitglied ein eigenes Tablet verlangen kann.
Das ist passiert
Die Arbeitgeberin ist ein bundesweit tätiges Unternehmen im Textileinzelhandel mit zahlreichen Filialen in Deutschland. Der Betriebsrat besteht aus drei Mitglieder:innen, wobei einige Mitglieder:innen zum Teil in Teilzeit tätig sind. Der Betriebsrat gab sich eine wirksame Geschäftsordnung, durch welche er zur Abhaltung von virtuellen Betriebsratssitzungen befähigt wurde. Im Juli 2022 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin dazu auf, den drei ordentlichen Betriebsratsmitglieder:innen mobile technische Ausstattung zur Verfügung zu stellen, damit sie erforderlichenfalls auch virtuell an Betriebsratssitzungen teilnehmen können.
Als die Arbeitgeberin dies ablehnte, eröffnete der Betriebsrat ein gerichtliches Verfahren. Er beantragte,
„die Arbeitgeberin dazu zu verpflichten, drei funktionsfähige, handelsübliche, dem gegenwärtigen technischen Standard entsprechende für Videokonferenzen funktionsfähige Tablets oder Notebooks mit Internetzugang sowie mit mindestens 7,9 Zoll Displaygröße und einer Kamera- und Lautsprecher-/Mikrofunktion zur Durchführung von Videokonferenzen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.“
Die Arbeitgeberin beantragte die Abweisung des Antrags.
Erfolg in 2. Instanz für den Betriebsrat – Jedes Mitglied bekommt ein Tablet
Nachdem das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats noch zurückgewiesen hatte, verwarf das Landesarbeitsgericht (LAG) diese Entscheidung und gab dem Betriebsrat in 2. Instanz recht.
Das LAG München entschied, dass der Betriebsrat die Tablets benötige, um seinen Mitglieder:innen die Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz zu ermöglichen.
Das Betriebsratsgremium entscheide selbst, ob und wie virtuelle Betriebsratssitzungen stattfinden
Der Betriebsrat dürfe seine Sitzungen virtuell abhalten. Denn er habe sich eine ordnungsgemäße Geschäftsordnung gegeben, die den Anforderungen aus § 30 Abs. 2, 3 BetrVG standhielte. Die Existenz der wirksamen Geschäftsordnung mit der darin enthaltenen Möglichkeit der virtuellen Betriebsratssitzung begründe schon für sich selbst die Erforderlichkeit von mobilen Endgeräten nach § 40 Abs. 2 BetrVG.
Denn in seiner Geschäftsordnung habe der Betriebsrat ordnungsgemäß festgelegt, unter welchen Voraussetzungen einzelne Mitglieder:innen virtuell an einer Betriebsratssitzung teilnehmen können und unter welchen Voraussetzungen eine Sitzung vollkommen virtuell stattfinden kann. Die Voraussetzungen für die virtuelle Teilnahme seien auch unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt und nicht in das alleinige Ermessen der Betriebsratsvorsitzenden gestellt. Dies alles genüge den Anforderungen des § 30 Abs. 2, 3 BetrVG.
Einwand der Arbeitgeberin erfolglos
Dem Einwand, dass es nicht im Sinne des § 30 Abs. 2 BetrVG sein könne, landesweit jegliche Betriebsräte mit technischen Endgeräten auszustatten, sei zu entgegnen, dass dies im Widerspruch zur Gesetzesbegründung zu § 30 Abs. 2 BetrVG stehe. Denn das Betriebsrätemodernisierungsgesetz möchte eine sachgerechte und dauerhafte Regelung schaffen, die zugleich einen wesentlichen Beitrag zur Digitalisierung der Betriebsratsarbeit leiste. Die Inanspruchnahme von virtuellen Betriebsratssitzungen stehe im Ermessen des Gremiums. Die Regelung, dass ausschließlich vorhandene Ressourcen zu nutzen seien, habe im Gesetz eben keinen Niederschlag gefunden.
Da es offensichtlich nicht unumstritten sei, ob eine Geschäftsordnung für sich genommen schon die Erforderlichkeit begründet, hat das LAG München nochmals betont, dass jedenfalls im hiesigen Fall der Betriebsrat auch ausreichend dargelegt hat, dass er immer wieder kurzfristig zu Anträgen beraten und abstimmen musste. Die Erforderlichkeit für die beanspruchte technische Ausstattung bestehe also in jedem Fall. Dies sei insbesondere auch vor dem Hintergrund zu bejahen, dass einige Betriebsratsmitglieder:innen in Teilzeit angestellt seien. Sie müssen sich nicht auf die Nutzung ihrer privaten Smartphones verweisen lassen.
Betriebsratstätigkeit kann auch vom Home-Office ausgeübt werden
Das LAG München hat – wie zuvor andere Instanzengerichte (vgl bspw.: LAG Hessen – 26 TaBV 143/21) – nochmals klargestellt, dass Betriebsratstätigkeit auch vom Home-Office ausgeübt werden dürfe. Damit betont das LAG München, dass eine entgegenlautende Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 2013 vor dem Hintergrund des § 30 Abs. 2 BetrVG nicht mehr gelte.
Für die Durchführung der virtuellen Sitzung nach § 30 Abs. 2 BetrVG müssen sich Betriebsratsmitglieder:innen nicht im Betrieb aufhalten. Ansonsten mache die Regelung des § 30 Abs. 2 BetrVG von vornherein keinen Sinn. Im Übrigen sei es keine Begünstigung der Betriebsratsmitglieder:innen, dass sie nach eigener Einschätzung an einzelnen Tagen zu Hause bleiben, da sie lediglich von der in § 30 Abs. 2 BetrVG gesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch nähmen.
Schließlich brauche der Betriebsrat sich auch nicht auf eine Telefonkonferenz verweisen lassen, wenn der § 30 Abs. 2 BetrVG ausdrücklich Videokonferenzen zulasse. Der Betriebsrat könne im Rahmen seines Beurteilungsspielraums die Videokonferenz gegenüber der Telefonkonferenz bevorzugen.
Auswirkungen auf die Praxis
Die überzeugende Entscheidung des LAG München beweist eindrucksvoll, dass der Begriff der Erforderlichkeit sich an aktuelle Gegebenheiten anzupassen hat. Der Anspruch des Betriebsrats wächst mit den Möglichkeiten zur Gestaltung seiner Betriebsratssitzungen. Diese Entscheidung steht zudem im Einklang mit anderen instanzengerichtlichen Entscheidungen (LAG Hessen 14.02.2022 – 16 TaBV 143/21; LAG Köln 24.06.2022 – 9 TaBV 52/21).
Der Gesetzgeber ermöglicht dem Betriebsrat die virtuelle Betriebsratssitzung. Dies muss ein Arbeitgeber finanziell tragen, soweit dies ihm zumutbar ist. Dabei bleibt der Beurteilungsspielraum wie gewohnt bei dem Betriebsratsgremium selbst. Der Betriebsrat hat bei der Beurteilung vor allem darauf zu achten, dass er die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts auch dann hinreichend wahrt, wenn von der Möglichkeit zur virtuellen Sitzung Gebrauch gemacht wird. Demgegenüber steht das – im Ausgang – berechtigte Interesse des Arbeitgebers an möglichst kostenschonenden Lösungen. Regelmäßig dürfte nach der Entscheidung des LAG München (und anderen Instanzgerichten) das Interesse der Belegschaft an der Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit überwiegen, sodass ein Anspruch auf ordnungsgemäße (digitale und mobile) Ausstattung des Betriebsrats zu bejahen sein dürfte.